AI163 Weniger Frauen melden sich im Frauenhaus: Opfer von häuslicher Gewalt versuchen im Corona-Lockdown durchzuhalten

Mit dabei:
  • Svenja Moller
  • Amelia Ulbrich

Immer wieder hört und liest man von den Auswirkungen der Corona-Pandemie – auf die Wirtschaft, auf Krankenhäuser und auf den Alltag. Aber wie geht eine Einrichtung, die Menschen helfen soll – gerade in der jetzigen Situation – mit den erschwerten Bedingungen um? all-in.de hat sich darüber mit Amelia Ulbrich, Teil der Geschäftsführung des Kemptener Frauenhauses, unterhalten.

Anders als man vermutlich erwartet, haben sich während des Lockdowns weniger Opfer von häuslicher Gewalt an das Frauenhaus gewandt als gewöhnlich, obwohl Ulbrich davon ausgeht, dass die Gewalt steigt. „Viele Frauen wollen in dieser Zeit durchhalten“, meint Ulbrich. Corona sei zwar ein „Katalysator“, der die Probleme deutlicher macht, aber bei den Frauen herrsche viel Unsicherheit. Zu dem Problem der häuslichen Gewalt komme die Unsicherheit über den Job und die Corona-Beschränkungen.

In jedem Fall fordert es Arbeit und Mut, sich aus Gewaltsituationen zu befreien. Während des Lockdowns fehlt oft auch der Kontakt zu Freunden und Verwandten. Ulbrich rät allen Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, sich Beratung zu holen.

Das Frauenhaus Kempten steht dafür jederzeit zur Verfügung. Auch wenn aktuell keine Zimmer mehr verfügbar sind, beraten die Mitarbeiterinnen die Frauen oder vermitteln sie an andere Frauenhäuser. Das Frauenhaus Kempten bietet Platz für sieben Frauen und acht Kinder. Ein Zimmer ist derzeit frei, aber schon für eine Frau „reserviert“.

Im Frauenhaus in Kempten gab es bisher keinen Corona-Fall, lediglich zwei Verdachtsfälle. Die betroffenen Frauen hätten schnell und einfach für ein paar Tage isoliert werden können. Bevor eine Frau im Frauenhaus aufgenommen wird, muss sie sich auf Corona testen lassen. In der Zeit, in der sie auf das Testergebnis warten müssen, können sie sich zum Teil in Ferienwohnungen in Quarantäne begeben. Danach gibt es für die Bewohnerinnen aber keine großen Einschränkungen mehr, erzählt Ulbrich. Nur die Mitarbeiterinnen tragen FFP2-Masken, die Bewohner lediglich bei Erkältungssymptomen.

AI146 Coronakrise: Diplompsychologin Irene Schnittker zu den psychischen Auswirkungen der Ausgangsbeschränkung

Mit dabei:
  • Holger Mock
  • Irene Schnittker

Wohnungskoller, Langeweile, Streitigkeiten. Eigentlich noch die mildesten Auswirkungen der Ausgangsbeschränkung. Die Bayerische Staatsregierung hat angeordnet, dass die Menschen in Bayern wochenlang die meiste Zeit zuhause verbringen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Das hat für viele Menschen schwere Auswirkungen.

Irene Schnittker ist Fachpsychologin für Notfall-Psychologie, Expertin für Krisensituationen. Sie lebt in Füssen, hat ihre Praxis in München. Irene Schnittker ist der Meinung, dass durch die Ausgangsbeschränkung die Zahl der Suizide steigen wird. Depressive Menschen werden es schwerer haben als sonst. Bei einigen wird sich überhaupt jetzt erst eine Depression einstellen. Aber sie sagt auch: Die Coronakrise birgt Chancen. Trotz Abstand aufeinander zugehen, sich unterstützen, vielleicht auch nur durch Kleinigkeiten und Gesten, das kann Menschen über diese schwierige Zeit helfen.

Im Podcast thematisieren wir die Themen, die viele Menschen zur Zeit bewegen. Häusliche Gewalt. Kinder beschäftigen. Freiräume schaffen, auch in der Drei-Zimmer-Wohnung in der Stadt. Irene Schnittker erläutert anschaulich, wie die Gesellschaft psychisch unter der Krise leidet, aber auch, wie sie daran wachsen kann. Und sie beantwortet die Frage: „Warum ausgerechnet Klopapier?“